Der 11. September 2001 war ein Wendepunkt in der jüngeren Geschichte. Als Jugendlicher konnte ich das Ausmaß dieses Ereignisses aber noch nicht richtig erfassen. Wie viele andere Menschen auch erinnere ich mich noch genau daran, wo ich mich befand und mit wem ich unterwegs war, als ich von dem Anschlag erfuhr. Jahre später ist nun von einer Epoche vor 9/11 und einer danach die Rede. Der Anschlag war ein weltbewegendes Ereignis, nach dem viele Dinge nicht mehr so waren wie zuvor.

Das Jahr 2020 wird die Welt auf eine ähnliche Weise beeinflussen. Doch sind die Auswirkungen der Corona-Krise dabei vermutlich noch viel weitreichender als die des 11. September, da sie die ganze Welt betreffen. Das Virus verursacht nicht nur unmittelbares Leid, sondern langsam aber sicher auch eine waschechte Krise. Das soll den Schmerz derjenigen, die durch die Krankheit Angehörige verloren haben, natürlich in keiner Weise in Abrede stellen. Doch hat die Wirtschaftskrise gerade erst begonnen, und viele Unternehmer bekommen sie jetzt zu spüren. Das steigert die Nachfrage nach neuen Lösungen und Arbeitsmethoden.

Als die Krise über uns hereinbrach

Auf Krisen kann man sich nur schwer vorbereiten. Unsere Arbeit ist dabei aber von Vorteil. Als digitales Unternehmen sind wir seit jeher darauf eingestellt, dass unsere Mitarbeiter gelegentlich von zu Hause aus arbeiten – allerdings nicht in diesem Maßstab.

Von einem Tag auf den nächsten arbeiten nun plötzlich alle zu Hause. Unsere IT-Infrastruktur ist aber immer noch dieselbe. Da sich unsere Software im Internet und in der Cloud befindet, brauchen wir für die Arbeit nichts weiter als einen Breitbandanschluss und ausreichend Kaffee.

Erste Erkenntnisse

Seit sechs Monaten erproben wir nun schon neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Wir haben unsere Kunden unterstützt, neue Projekte vorgestellt, Interviews über das Internet geführt, und haben ganze Anwendungen entwickelt und verschickt – und all das von zu Hause aus. Wir wussten zwar schon immer, dass das möglich ist, mussten das neue Arbeitsmodell aber noch nie in der Praxis auf die Probe stellen. Dabei hat sich gezeigt, dass manche Dinge besser funktionieren als andere. Unsere Learnings als Firma:

1. Lernen Sie Ihre Kollegen besser kennen und entwickeln Sie Mitgefühl

Auf gewisse Art und Weise ist die Arbeit intimer geworden, da wir bei Videokonferenzen Einblicke in das häusliche Umfeld unserer Kolleginnen und Kollegen bekommen. Das fühlte sich am Anfang merkwürdig an, eröffnet aber eine Möglichkeit, uns gegenseitig besser kennenzulernen. Wenn man aufrichtig und authentisch ist, lässt sich eine bessere Verbindung zu einander aufbauen.

2. Nehmen Sie sich Zeit für besondere Anlässe

Der Teamgeist bei Smart Digital ist hervorragend, und auch das Virus konnte ihm nichts anhaben: egal, ob Babyparty, Speeddating für neue Kollegen oder Yoga – wir machen alles wie früher, nur eben online.

3. Machen Sie die Einarbeitungsphase zu etwas Besonderem

Wenn man eine neue Stelle antritt, kann das momentan ungewiss und merkwürdig sein. Versuchen Sie, neue Kolleginnen und Kollegen stets einzubeziehen. Wir achten besonders darauf, dass unsere neuen Mitarbeiter bei den wichtigen Konferenzen dabei sind. Vereinbaren Sie einen Termin für ein kurzes Gespräch, damit Sie sich vorstellen und gegenseitig kennenlernen können. Achten Sie dabei darauf, dass Sie nicht nur über die Arbeit reden.

4. Fragen Sie nach, wie es den anderen geht

Jeden Morgen findet eine kurze Konferenz statt. In diesen schweren Zeiten habe ich mehr über die Kinder und das Privatleben meiner Kolleginnen und Kollegen erfahren. Regelmäßiges Nachfragen ist wichtig – insbesondere während einer Pandemie, die für einige eine schwere Zeit darstellt, in der sie besondere Unterstützung brauchen könnten.

5. Nutzen Sie Pair Programming für Entwicklungsprojekte

Über die Vorteile des Pair Programming wurde schon viel gesagt. Sie ist zwar seit jeher Teil unserer Unternehmenskultur, ist in letzter Zeit aber noch stärker in den Vordergrund gerückt. Denn Pair Programming fördert Zusammenarbeit, Austausch und Transparenz und verhindert Programmierfehler und Einsamkeit. Falls Sie nach einer kostenlosen Screensharing-Lösung suchen, sollten Sie sich mal Jitsi anschauen.


Smart Digital nutzt eine Enterprise Kommunikations- und Kooperationsplattform. So ist nichts weiter als ein Chat und eine durchdachte Informationsstruktur erforderlich, um sich mit dem gesamten Team auszutauschen. Inzwischen ist diese Plattform unser wichtigster Anlaufpunkt um miteinander zu kommunizieren, sich auszutauschen und gemeinsam Zeit zu verbringen. (Hoffentlich) wird es gemeinsame Treffen aber auf lange Sicht nicht ersetzen. Trotzdem sind wir überrascht, wie gut wir uns an die neue Arbeitsweise gewöhnt haben.


6. Vermeiden Sie überflüssige E-Mails

E-Mails sind mehr Fluch als Segen. Sie sind ein Relikt der Vergangenheit. Warum nutzen Sie stattdessen kein Kooperations- und Kommunikationssystem? So bleiben alle Projektdaten an einem Ort und niemand wird außen vor gelassen, nur weil man nicht auf „Allen antworten“ geklickt hat. Neben zahlreichen kostenpflichtigen Alternativen (MS Teams, Slack etc.) gibt es auch kostenlose und Open-Source Software wie Keybase oder Element.

7. Nutzen Sie Chat-Gruppen und Kanäle

Nutzen Sie für Arbeitsbesprechungen Gruppen und Kanäle, damit alle stets informiert sind. Oft kann man auch Dokumente anhängen, so dass alle Unterlagen an ein und demselben Ort sind. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass die berüchtigten Kantinengespräche in einen Projektzusammenhang gesetzt werden. So sind alle immer auf dem neuesten Stand, auch wenn sie mal nicht im Büro sein können.

8. Ändern Sie Ihren Status

Wenn Sie nicht im Büro sind, ist das für jeden sichtbar. Doch wenn man zu Hause arbeitet, geht niemand für einen ans Telefon. Achten Sie also auf Transparenz und lassen Sie Ihre Kollegen anhand Ihres Status wissen, ob Sie gerade verfügbar sind. Manche Apps kann man mit seinem Kalender verknüpfen, so dass der Status automatisch umgestellt wird, wenn man einen Termin hat. Wenn Sie sich voll auf Ihre Arbeit konzentrieren wollen, stellen Sie den Status einfach auf „Nicht stören“.

9. Schalten Sie sich stumm, wenn Sie gerade nicht sprechen

Wenn im Büro alle gleichzeitig am Telefon sind, kann das Probleme verursachen. Wenn man von zu Hause aus arbeitet, bleiben die Kollegen dagegen ungestört. Das ist ein zusätzlicher Vorteil des Pair Programming und der Arbeit in kleineren Gruppen. Doch je größer die Gruppe ist, desto wahrscheinlicher sind störende Hintergrundgeräusche. Die können Sie problemlos vermeiden, wenn Sie sich selbst auf stumm schalten, solange Sie nicht reden.

10. Passen Sie Ihre Benachrichtigungseinstellungen an

Chat- und Kollaborationssoftware bietet oft zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten für Benachrichtigungen. So können Sie E-Mail-Erinnerungen und Handy- und Desktopbenachrichtigungen zu Ihren Kanälen, Themen und Gruppen einrichten. Passen Sie alles genau an Ihre Bedürfnisse an, um immer die richtigen Informationen zu bekommen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die zweite Welle?

Wir wollen hier keineswegs eine Lanze für die Telearbeit brechen. In manchen Fällen ist es durchaus von Vorteil, direkt mit Kunden sprechen zu können oder gemeinsam das Sommerfest zu feiern, auf das sich schon alle gefreut haben. Ja, wir sind eine Digitalagentur – dennoch verbringen wir gern Zeit miteinander, auch off-the-job. Spekulationen bringen nichts; die Zukunft wird zeigen, ob die Arbeit von zu Hause aus effektiv ist.

Vorerst bleibt uns aber keine andere Wahl. Wenn wir das Virus nicht weiter verbreiten wollen, müssen wir uns anpassen und aus der Krise lernen. Dann werden wir 2020 vielleicht nicht nur als ein Jahr voller Leid und politischer Krisen in Erinnerung behalten, sondern auch als Jahr des Fortschritts.

Falls Sie schon länger von zu Hause aus arbeiten, ist das alles für Sie vermutlich nichts Neues. Je nach Branche und Unternehmen können wir ganz unterschiedliche Dinge aus der aktuellen Krise lernen. Falls Sie andere Herausforderungen bewältigen müssen oder Erkenntnisse gewonnen haben, würden wir uns freuen, von Ihnen zu hören.

Photo: Cedric Frixon| Unsplash